Chianti Classico iv 2003

In der Hügellandschaft zwischen Florenz und Siena ist die Heimat des Chianti Classico. Hier sind knapp 7.000 Hektar mit Reben bepflanzt. Klagten die Winzer im Vorjahr über Dürreschäden, so waren sie höchst erfreut über die ersten Gewitter Mitte Juli 2002. Zu der Zeit konnte aber keiner ahnen, daß die Regenschauer erst der Anfang einer der regenreichsten Jahren der vergangenen Dekade sein sollte.

Chianti Classico 2001
Ruhe vor dem Sturm

Die Niederschläge fanden 2002 kein Ende. Daher verlangsamte sich die Reifung im Spätsommer. Bereits in den ersten Septembertagen waren beunruhigende Zeichen von Fäulnis festzustellen. Diejenigen Erzeuger, welche der Natur dennoch gescheite Weine abtrotzen wollten, standen Ende des Monats vor einer wirklich mühseligen Arbeit. Traube für Traube mußte die Ernte eingefahren. Trotz alledem werden die meisten Betriebe auf ihre Spitzenweine, ja auch ihre Riserva verzichten, und nur einen einfachen Chianti Classico abfüllen – und dennoch wird es nur eine kleine Menge geben. Diese Tatsachen sprechen schon Bände

Lawrence d’Almeida von Villa Casale stand perplex vor diesem Naturgewalt. „So was habe ich nie gesehen. Manche Kollegen werden nur Weißherbste abfüllen können.“ Auch Stephane Derenoncourt aus Saint Emilion, der das Weingut La Massa betreut, ist über das Ergebnis skeptisch. „Die Winzer müssen viele Kerzen in der Kirche anzünden, um aus dem Lesegut etwas gescheites zu zaubern.“ Vielleicht auch deswegen gedenkt sein Auftraggeber Gianpaulo Motta keine einzige Flasche Giorgio Primo abzufüllen. „Bis heute habe ich auch in kleineren Jahren eine kleine Menge ausgezeichneter Weine aus dem Herbst kitzeln können. Ob es uns in diesem Jahr gelingt, steht noch offen.“

Im Jahre 2001 waren die Trauben reifer. Wegen der Fröste im April und die daraus niedrig ausgefallenen Erträge haben die Jungweine, wenn auch schon damals äußerst unterschiedlich, eine prächtige Farbausbeute und eine gewisse Dichte. An die Opulenz der sehr homogenen 2000er kamen sie nie heran. Das erste Jahr des neuen Jahrtausends stand deswegen im Zeichen großer Erwartung, wird aber nicht in die Annalen eingehen. Von einem großen Jahrgang spricht heute noch keiner, denn mit hohem Alkohol bei nur geringem Tanninrückgrat hat man die feinsten Jungweine zeitig abgefüllt, um die betörende Frucht zu Jahres einzufangen. Da die Weine weder die innere Dichte der 1999er noch die Kraft der 1997er aufweisen, wirken sie wegen der geringen Säure und zurückhaltenden Aromatik ein wenig alkoholisch und teilweise flach. Inzwischen hat der Jahrgang 2001 neue Liebhaber erschlossen.

Der einfache Chianti Classico ist in der Regel ein junger und eher fruchtiger Wein, der ab dem 1. Oktober im Jahre nach der Weinlese in den Handel gelangt. Der Riserva hingegen werden bereits ab der Weinlese die besten Trauben vorbehalten, welche jene Substanzen enthalten, die dem Wein einen großen Körper sowie ein ausgewogenes Zusammenspiel von Kraft und Eleganz verleihen. Dennoch entscheiden manchmal wirtschaftliche Überlegungen darüber, wie viel Wein als Riserva abgefüllt wird. So ist es nicht abwegig zu denken, dass nach dem schwierigen Jahrgang 2000 kommend und vor dem noch problematischeren Jahrgang 2002 stehend, dass manche Erzeuger mehr 2001 als Riserva abfüllt, als ursprünglich geplant. Zumindest können wir uns nur so erklären, warum der sonst so angepriesene Jahrgang so wenig ansprechende Weine hervorruft.

Stünden die Preise noch im Verhältnis zur Qualität, so wäre die Welt noch in Ordnung. Doch haben die Preise laut des statistischen Institutes Eurispes im Jahre 2002 um 33 Prozent zugelegt. Im Jahre zuvor waren es bereits 24 Prozent. Nicht von ungefähr spricht unser geschätzte Kollege Jens Priewe, der sonst für Italien nur Lob austrägt, von einer „Verärgerung der Verbraucher angesichts der ungerechtfertigten Preissteigerungen.“

Das Gebiet weiß das Aussehen seiner Agrarlandschaft, ein weltweit einzigartiges Beispiel für eine von Menschenhand umwandelte Natur, im Wesentlichen zu bewahren. Über die Jahre hinweg haben die ausgesprochen heimatverbundenen Bewohner zum Schutz dieses überlieferten Erbes beigetragen. 1990 kam es zur Gründung einer Stiftung zum Schutz des Territoriums, die ihr vornehmliches Ziel in der Erhaltung der landschaftlichen und umweltbezogenen Ressourcen, der künstlerischen und kulturgeschichtlichen Traditionen sieht und bei städtebaulichen Maßnahmen zum Respekt des existierenden harmonischen Gesamtgefüges koordinierend eingreift.

Seit dem sitzen die Mitglieder der Toskanafraktion gerne in einer kleinen Trattoria neben der Stadtmauer eines beliebigen Dorfes in Chianti und blicken in die trüben Herbsttage. Nach dem letzten Stück Pecorino und einer zweiten Flasche Wein bricht die Sonne durch und das Land glänzt. Zu Beginn dieser Liebe kehrten deren Freunde aus Florenz mit dem Kofferraum vollgepackt heim. Inzwischen bringen sie nur ein paar Flaschen von ihren Lieblingsgütern als Erinnerung an den Urlaub mit. Nach vielen Fetten Jahren müssen die Hersteller dieser berühmten italienischen Tropfen mit einem Ende des Rausches. Das Thema stand auf Vinitaly im Monat April mehrfach im Zentrum der Gespräche.

Haben ausgerechnet die sonst so knauserigen Deutschen bis vor zwei Jahren jeden Preis für ihre Lieblingsgewächse bezahlt, so liegen die selbigen Flaschen heute wie Blei im Regal. Auch Erzeuger, die nicht an der Preisschraube gedreht haben, wie Giovanella Stianti Mascheroni von Castello di Volpaia, berichten über einen gewaltigen Umsatzeinbruch am deutschen Markt. Für sie, wie auch für andere Erzeuger, rettet zum Glück der gestiegene Verbrauch ihrer Weine in den Vereinigten Staaten das Gesamtbild, doch Grund für Sorge ist durchaus vorhanden. Denn auch dort hat laut dem amerikanischen Weinhändler Greg Saint Clair, der bei der Anteprima in Florenz einen Vortrag hielt, Chianti keinen so sicheren Platz. „Wir sehen Chianti als eine Marke eher als eine geographische Zone – und den Unterschied zwischen Chianti und Chianti Classico versteht keiner.“ Schade, dass die Italiener seine Aussage kaum Aufmerksamkeit schenkten, denn mit einem Exportanteil von 32 Prozent haben die Amerikaner den inzwischen „trinkfaulen“ Deutschen schon längst überholt.

Wie auch in anderen Bereichen der Luxusindustrie ist heute Qualität gefragt. Mit Werbung und Glanz allein ist der Erfolg nicht mehr gesichert. So haben im vergangenen Jahre alle Erzeuger reiner Luxusartikel Absatzeinbrüche hinnehmen müssen. Ansprechende Weine unter sieben Euro die Flasche hingegen erleben eine Hochkonjunktur. In diesem Bereich aber kann Chianti Classico nur selten auftrumpfen. War der deutsche Konsument bislang stark auf diese Region gut zu sprechen, so greift er heute immer häufiger zu den vergleichsweise günstigere Weine aus dem Süden Italiens. Preiswerte Rebsortenweine aus diesem Gefilde wie Nero d’Avola oder Aglianico erleben eine neue Blüte.

Diese Gefahr ließ Geschäftsführer Stefan Garner von Mövenpick unverblümt bei seiner Rede während der Anteprima auch zum Ausdruck kommen, doch seine Worte verhallten ungehört. „Im Umfeld der Importweine ist der Chianti Classico schlicht und einfach zu teuer. Einstiegsweine kosten bereits fast vier Euro. In der Spitze blättert man für einen Chianti Classico 30 Euro hin. Das sind 60 Mark! Wenn die Preisentwicklung so weitergeht, sehe ich schwierige Zeiten für diesen Wein kommen.“

Das seine Worte wenig Wirkung auf die Anwesenden hatte, liegt an der Tatsache, dass die Güter nach wie vor ein prächtiges allgemeinGeschäft machen. An Preissenkungen wird nicht gedacht. Im Gegenteil! Viele Erzeuger sind der festen Auffassung, dass die Zukunft nur über gesteigerte Qualität gehen kann, was auch noch höhere Preise bedeutet. Die Märkte, die das nicht verstehen, wie eben Deutschland zum Beispiel, werden halt weniger Chianti Classico kaufen.

Zahlreiche Zeugnisse erinnern an die etruskische und römische Epoche, doch erst mit dem Mittelalter entwickelt sich die für das Gebiet typische Landschaft, wie wir sie bis heute kennen. Als Weinbezeichnung findet sich der Name Chianti erstmals 1404 in einer notariellen Urkunde. Der Wein aus diesen Hügeln gewann ein so großes Prestige, dass sich der Großherzog der Toskana, Cosimo III., 1716 veranlaßt sah, zum Schutz des Namens die Produktionsgrenze per Edikt abzusichern, die in etwa den heutigen 70.000 Hektar Rebfläche entspricht. Dennoch haben die Erzeuger lange um ihre Daseinsberechtigung gekämpft. Zum Schutz der Produktion fand sich erst am 14. Mai 1924 eine Gruppe von 33 Weinbergsbesitzer in Radda zusammen, um das Konsortium zum Schutz ihrer Ursprungsmarke zu gründen. Später nahm das für die Promotion zuständige Konsortium den Namen Consorzio del Marchio Storico – Chianti Classico anIm Lauf der Zeit wuchs die kleine Gründerschar stark an und zählt heute mehr als 600 Erzeugermitglieder, von denen 250 ihren Wein unter eigenem Etikett abfüllen. Mit ihren über 5.000 im Weinbergregister eingetragenen Hektar vertreten diese Produzenten über Dreiviertel der Gesamtproduktion.

Zwischen 1924 und 1967 hatte das Konsortium langwierige Streitereien um eine exklusive Anerkennung auszutragen. Der lange Rechtsweg endete erst 1967, als das Dekret zur Anerkennung der kontrollierten Ursprungsbezeichnung Chianti in Kraft trat und den Chianti Classico als Wein anerkannte, der als Appellation zum einfachen Chianti Unterschiede aufweist. So 1984 wurde dem Chianti Classico die adelige G zum DOC zuerkannt, die höchste Stufe für italienische Qualitätsweine. Doch inzwischen haben auch minderwertige Weißweingebiete ebenfalls diese Ehre zuteil bekommen.

Um diese Appellation beanspruchen zu können, genügt es nicht, dass der Wein innerhalb des Gebietes erzeugt wird, sondern es sind zahlreiche, verankerte Normen zu berücksichtigen. An erster Stelle die besondere ampelographische Zusammensetzung: Hauptrebe ist Sangiovese, eine ursprünglich aus Mittelitalien stammende rote Rebsorte, die Weine von rubinroter, nach längerer Lagerung zu granatrot tendierender Farbe hervorbringt, in der Nase fein duftend mit Anklängen von Gewürzen und kleinen Waldbeeren, mit guter Struktur, elegant, rund und samtig.

Neben Sangiovese können für den Chianti Classico auch andere zugelassene rote Sorten bis maximal zwanzig Prozent verwendet werden wie die autochthonen Canaiolo und Colorino oder die internationale Sorten Cabernet Sauvignon, Merlot oder Syrah. Weiße Trauben, Trebbiano und Malvasia, sind nur noch bis einschließlich der Weinlese 2005 gestattet, bis maximal sechs Prozent.

Große Ehren werden heute der 1999er Riserva, die allmählich auf den Markt kommen, zugeschrieben, denn alles lief wie am Schnur. Mit reifem Lesegut, strotzender Fruchtdichte und fein gewobenen Tanninen bringen die Weine eine beispielhafte Ausgewogenheit zum Tage. Manche Güter glauben sogar, dass die Güte der Weine die des Jahrgangs 1997 übertrifft. Dennoch in beiden Jahrgängen kommt die Gretschenfrage auf: will man mit der ureigenen, beinahe kernigen Art des Gebietes Vorliebe nehmen oder eher der internationale Ersatz mit Alkohol, Dichte und Holz als Zukunft ansehen. Lange Zeit habe ich gefürchtet, dass die klassische Art vom Aussterben bedroht sei, doch feinste Vertreter beider Gattungen gibt es nach wie vor.

Oft hat die Kritik mit dem Rebsortenspiegel zu tun. Wie es auch immer zugehen kann mit Sangiovese, behaupten böse Zungen, dass Cabernet Sauvignon und Merlot bei mancher Weine einen höheren Anteil ausmachen, als von der Gesetzgebung erlaubt. Das sind in der Regel die gleichen Kritiker, die den Einsatz vom neuen Holz ankreiden. Dabei ist es auch für uns nicht immer leicht, mancher der feinsten Weine Gebietscharakter zuzuschreiben. Wie aber so oft in der Vergangenheit ist Chianti Classico heute geschmacklich in Bewegung. Es wäre ungerecht den Winzern vorzuschreiben, wie ihre Weine heute zu schmecken haben. Vor fünfzehn Jahren wollte keiner die Weine im damaligen Stil haben, heute schreien die gleichen Besserwisser von Kulturverlust. Nach wie vor stehen charmante, bodenständige Weine einfachen Trinkweine und diese wiederum önologisch aufwendigen Gewächsen mit internationalem Anspruch gegenüber.

Aufsteiger des Jahres:             Riecine

Chianti Classico auf einen Blick:

Rebfläche: 7.067 Hektar
Zugelassener Höchstertrag: 52,5 hl/ha
Rebsorten: mindestens 80% Sangiovese
Produktion 2002: 269.000
Anzahl der Eigenvermarkter: etwa 280
Exportanteil: Zweidrittel
Export nach Deutschland: 15% der Gesamtmenge

 

Grosse und Kleine Jahrgänge in Chianti Classico

Jahr                  Wert                Trinkreife

2002                *                      bis 2008
2001                ****                bis 2012
2000                ***                  bis 2007
1999                *****              bis 2015
1998                ***                  bis 2008
1997                *****              bis 2015
1996                ***                  bis 2006
1995                ****                bis 2008
1994                **                    jetzt
1993                ***                  jetzt

Große Jahrgänge der Vergangenheit: 1990, 1988

Kleine Auswahl unserer Lieblingserzeuger in Chianti Classico

di Ama, Gaiole

Badia a Coltibuono, Gaiole

Brancaia, Castellina

Castello di Brolio,

di Cacchiano, Gaiole

Carobbio, Greve
Villa Casale, Greve
Casaloste, Panzano
Castellare, Castellina
Cennatoio, Panzano
Collelungo, Castellina
di Felsina Berardenga, Castelnuovo Berardenga
Le Filigare, Barberino
di Fonterutoli, Fonterutoli
Le Fonti, Poggiboni
Fontodi, Panzano
Isole e Olena, Barberino
La Massa, Panzano
Monte Vertine, Radda
Il Palazzino, Monti
di Quercetto, Lucolena
Quercia al Poggio, Barberino
Querciabella, Greve
Riecine, Gaiole
Vecchie Terre di Montefili, Greve

 

Empfehlenswerte 2001er Chianti Classico

Die erste Verkostung fand mit der Unterstützung der „Consorzio del Marchio Storico“ im Kartäuserkloster in Florenz bei der Anteprima 2002 statt. Die Mitglieder des Verbandes, den die meisten noch unter der allgemein Bezeichnung “Gallo Nero” kennen, bewirtschaften etwa 85 Prozent der Rebfläche des Gebietes. Einige bekannte Erzeuger, die nicht Mitglied des Consorzio sind, haben wir vor Ort besucht, andere auf den Pro Wein in Düsseldorf Ende März oder auf Vinitaly in April, andere ließen ihre Weine uns in Deutschland zustellen. Allerdings haben einige Erzeuger, darunter ...... ihre 2001er noch nicht herausgebracht.

das waren die besten 2000er

1. Fonterutoli

2. Fontodi

87        Canonica
87        Villa Casale
87        Casaloste
87        Castellare
87        Collelungo
87        Casa Emma
87        Filigare
87        Le Fonti
87        La Massa
87        Castello di Quercetto

Anhang

Castello di Ama, Radda

1999 Chianti Classico 91

Tenuta di Bibbiano, Castellina

2000 Chianti Classico „Montornello“ 86

Brancaia, Castellina

1999 Chianti Classico 90

Castello di Brolio, Gaiole

1999 Chianti Classico 92

Castello di Cacchiano, Gaiole

1999 Chianti Classico 89

Le Filigare, Barberino

2000 Chianti Classico 87

Fontodi, Panzano

2000 Chianti Classico 88

Isole e Olena, Barberino

1999 Chianti Classico 88

La Massa, Panzano

2000 Chianti Classico 87

1999 Chianti Classico “Giorgio Primo"          90

Querciabella, Greve

2000 Chianti Classico 88

Vecchie Terre di Montefili, Greve

1999 Chianti Classico 90