Jeder Weinfreund kennt die Enttäuschung zur Genüge: Da freut er sich auf eine teuer erstandene und lange im Keller gehegte Flasche und muß nach dem Öffnen entsetzt feststellen, daß der edle Wein nach verschimmelten Putzlumpen riecht. Das gute Geld zum Fenster rausgeworfen! Forscher schätzen die Quote der durch Korkschmecker ungenießbaren Weinflaschen auf vier Prozent. Winzer schätzen die Dunkelziffer auf mindestens das Doppelte. Dadurch entsteht jährlich ein Schaden in Milliardenhöhe.

Rezept gegen Korkschmecker

Ein Stück Korken, geschnitten aus der Rinde des Baumes Quercus suber, ist ein wundersames Ding. Auf einem Kubikzentimeter tummeln sich rund 40 Millionen Zellen. Das Material ist elastisch und formstabil, zudem schier unverwüstlich. Es läßt nur einen Hauch Luft hindurch, aber keine Feuchtigkeit. Einen besseren Verschluß für  Weinflaschen gibt es bis heute wohl kaum. – Oder vielleicht doch? Denn nichts ist vollkommen. Naturkorken sind anfällig gegen Bakterien, die im Wein übelste Fehltöne hervorbringen können.

Vom Ärgernis betroffen sind nicht nur billige Tropfen im Supermarkt. Auch die gehobenen Qualitäten namhafter Güter sind gefährdet. Oft tritt der Fehler so schwach auf, daß er gar nicht als Korkschmecker empfunden wird. Der Erzeuger stellt eine eindeutige Geruchs- und Geschmacksverschiebung gegenüber dem normalen Wein fest, doch der Konsument empfindet den Wein lediglich als merkwürdig dumpf und schreibt dies entweder der Ausbauart oder dem Erzeuger zu.

Mikrobiologen glauben die Ursache herausgefunden zu haben: Der bakterielle Befall tritt ausgerechnet bei der Reinigung der Korken auf. Die Korkhersteller beurteilen jedoch die Erkenntnis mit feindseeliger Skepsis. “Im Weinbau befinden wir uns heute im Zeitalter der Technologie. Beim Korken stehen wir hingegen auf dem Niveau der Vorkriegszeit,” stellt der Mikrobiologe Dr. Jens Jäger fest. Er entwickelt daher zur Zeit ein Verfahren zur Herstellung von Korken, bei dem eine unkontrollierte mikrobiologische Aktivität mehr verhindert wird und zudem die chemische Verunreinigung um gut 90 Prozent verringert werden soll.

Dessen ungeachtet nimmt der Frust unzähliger Weinfreunde zu. Deswegen gewinnt der Schraubverschluß für Literware zunehmend an Akzeptanz. Für höherwertige Weine scheint der Kunststoffverschluß eine Alternative zu sein. Um diese Möglichkeit gründlich zu erforschen, haben einige Weingüter Weine mit synthetischen Verschlüssen zu versehen. Ob der Ersatzkorken langfristig wasserdicht genug sein wird, um eine langjährige Lagerung der Weine zu ermöglichen, steht noch offen. Gewiß aber ist, daß kein einzige Flasche korkig schmecken wird!

Korken natur oder Silikon – Das ist hier die Frage

Ein guter Schluck Wein belebt bekanntlich die Sinne, entspannt und hebt die Stimmung. Vornehmer wird die Stimmung, wenn der Korken knallt oder ein leises “Plopp” den Korken, den engsten Freund des Weines, von seinem Partner trennt. Ein sanftes Glucksen beim Eingießen in das Glas bringt den Genuß in greifbare Nähe.

Mindesten 25 Jahre Treue schwört ein guter Korken dem ihm zugeteilten Flaschenhals die Treue, bevor er seine Elastizität dem Alter opfern muß. Selten bleibt auch im hohen Alter ein guter Korken der Flasche im Halse stecken! Einen Treueschwur leistet oft auch der Erzeuger edler Raritäten, der dem Kunden das gereifte Glück kostenlos erneut verkorkt – Ehrensache! Mit dem Kork hat dennoch so mancher Weinfreund seinen Ärger: Von unsichtbarem Pilz befallen wird er im Zuge eines schnellen Geschäftes und einer unersättlichen Nachfrage
wird geerntet und verarbeitet, was das Zeug hält. Ganz zum Leidwesen der Verbraucher, der immer wieder und immer öfter feststellen muß, daß auch er eine “Niete” aus dem Regal gezogen hat. Leider kann man einem Korken nicht ansehen, ob etwas mit ihm nicht stimmt.

Wenn Ihr Wein beim Öffnen dann ein modriges Boukett entfaltet und den Gaumen in Bitterkeit einhüllt, dann haben auch Sie einen Treffer gelandet. Der Wein ist so verdorben, daß er sich selbst als Kochwein nicht mehr eignet. Schade, eigentlich, denn der Korken kann auf eine fast 300jährige Geschichte zurückblicken und war zu Shakespeares Zeiten in aller Munde. So läßt der große Meister, der überaus gut zechen konnte, seine Rosalinde in “Wie es Euch gefällt” erklären: Ich bitte dich, nimm den Kork aus deinem Munde, damit ich deine Mitteilung trinken kann.  Auch hier gab’s schon Probleme – mit dem Kork!

Aber auch manch‘ aufmerksamer Gaumen seiner Zeit mußte feststellen: “Viel Wein ist schon allein durch mangelhafte Korken verdorben worden”. Im 20. Jahrhundert hat der Kork seine Kinderkrankheiten überstanden und die Winzer haben es gelernt, ihn gekonnt einzusetzen. Doch die weltweit steigende Nachfrage an Korken fordert ihren Tribut. Der Stamm der Korkeiche ist jedoch – trotz des Modernen Zeitalters und Gentechnik noch nicht auf Massenproduktion geeicht. Und hier beginnt das Übel. Bei den Unmengen an Weinflaschen die verkorkt sein wollen, sind die Erzeuger feiner und auch kleiner Weine gezwungen über Alternativen nachzudenken, ohne daß der Kunde an Weinkultur einbüßen muß.

Bei Silikonkorken kann der Genießer die Spirale seines Korkenziehers noch tanzen lassen. Die Moderne setzt bekanntlich ihr As auf Silikon – formschön, dicht und ewig haltbar. Sauber, schlicht und leicht verwendbar.  Hier muß der Genießer nicht auf sein geliebtes “Plopp” verzichten, doch das “Outfit” dieser noch prothesenähnlichen Verschlüsse läßt noch sehr zu wünschen übrig. In diesem Fall bekäme die Öffnungskollektion um den Korkenzieher noch nicht seinen Platz im Museum.

Über den Einsatz von Schraubverschlüssen - zumindest im Billigweinsegment -, eine überaus saubere Sache, wäre auch nachzudenken. Hier kommt es mehr auf die Trinkmenge als auch die Stimmung im Umfeld der Weinflasche an. Warum eigentlich nicht? Kostengünstig ist diese Lösung auch.
Den Weinfreund einfacher Weine könnten die Winzer sicher auch mit diesem Verschluß überzeugen, insbesonders auch deshalb, da er kaum noch Gefahr läuft einen korkkranken Wein mit nach Hause zu nehmen.

Allerdings würde ich es heute noch als absoluten Faux-Pas empfinden, wenn ich meinen Gästen eine Rarität eines renommierten Château aufschrauben müßte. Auch das zünden einer gemütlichen Kerze würde diesen Stimmungsmangel nicht ausgleichen können. Dann könnte ich auch gleich dem Bier widmen.

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Meckenheim,
den 10. June 1999