Nicht für jeden Winzer war der 2002er ein Jahrgang, wie er im Bilderbuch steht. Fest steht, der eine konnte besser damit umgehen, als der andere. Armin Diel, Joel Payne und Christoph Dirksen berichten über einen reifen Jahrgang 2002, der bereits heute Spaß zum trinken macht. “Ende gut, alles gut?” War es im Vorjahr schon einmal der Monat Oktober, der durch sein Attribut “golden” den Jahrgang rettete, so verhinderte der lang anhaltende Regen in eben diesem Monat des Jahres 2002 die schon von vielen erwartete Ernte eines wirklich großen Jahrganges. So beschreibt es auch Gerd Grans vom Weingut Grans-Fassian aus Leiwen, der eine der feinsten Kollektionen des Jahrgangs anstellte: “Es waren optimale Bedingungen, insbesondere in der Hauptreifephase der Trauben. Leider fehlte am Ende das Tüpfelchen auf dem i”. Markus Molitor aus Wehlen vergleicht den Jahrgang dennoch mit den Spitzenjahren 1971 und 1976. Bis Anfang Oktober traf dies auch zu. Die danach einsetzenden, lang anhaltenden Regenfälle, machten jedoch, wie so oft, den Winzern in ihrer Hoffnung einen Strich durch die Rechnung. Egon Müller vom Scharzhof in Wiltingen holte dann auch die gesamte Ernte in einem äußerst kurzen Zeitraum von nur zwölf Tagen herein. Sorgfältigste Selektion der gesunden Trauben war dementsprechend wieder einmal Grundvoraussetzung für die Erzeugung sauberer, klarer Rieslinge. Auslese sowie edelsüße Spitzenweine gelangten nur in sehr kleinen Mengen in die Keller. Zu stark war oft der Befall der Trauben durch nicht immer saubere Fäulnisse. Etwas versöhnlich hingegen stimmte viele Winzer die tiefen Temperaturen im Dezember, so dass einige klassische Eisweine auf die Kelter gelangten. Dabei hat sich das Verhältnis von Menge und Güte erneut bemerkbar gemacht: Es galt bei den qualitätsbewussten Erzeugern “die Lust der Reben in Richtung Qualität und nicht in Richtung Quantität zu lenken,” wie es Johannes Selbach aus Zeltingen erzählte. Denn bei einem durchschnittlichen Ertrag von über 107 Hektolitern je Hektar erreichte die Mosel erneut Dimensionen, die sich nicht gerade für den Qualitätsweinbau eignen. Deswegen auch kam nicht mal ein Viertel der Ernte an die notwendige Reife für einen Kabinett. Das Durchschnittsmostgewicht lag kaum über 70 Oechsle. Sind die 2002er in ihrer Stilistik nicht so sehr von der feinen Säure ihres Vorgängers geprägt, so haben sie in der Spitze eine dichtere, von reifer Frucht getragenen Struktur. Beim Riesling stellten die meisten Erzeuger fest, dass der Säuregehalt der Moste gering war und sich während der Gärung weiter abbaute, was den trockenen Weinen durchaus zu Gute kamen. Dies macht sie teilweise in ihrer Jugend bereits sehr zugänglich. Bei solchen trockenen Weinen hat Christoph Tyrell mit den 2002ern durchweg der Natur ein Schnippchen geschlagen, die an die fein abgestimmte 1999er Kollektion erinnert. Nach wie vor stehen aber viele Liebhaber dem trockenen Riesling von der Mosel skeptisch gegenüber. In der Tat verstehen nur es wenige Winzer wirklich meisterhaft, die natürlichen Gegebenheiten - geringer Alkoholgehalt und hohe Säure - zu einer wohlschmeckenden Symbiose zu formen. Neben Karthäuserhof, zeigen aber Betriebe wie Knebel und Heymann-Löwenstein an der Untermosel sowie Franzen in Neef, Kesselstatt in Marienlay und Paulinshof in Kesten, dass es mit Verstand doch geht. Selbst bei den halbtrockenen Rieslingen gibt es nur wenige Betriebe, die mit viel Hingabe an die Sache gehen. Es scheint, als wird diese Kategorie bald der Vergangenheit angehören. Schade, den so ausgebaut können die zartfruchtige Weine der Mosel herrlich schmecken! Markus Molitor in Wehlen, der erneut in dieser Kategorie den Vogel abschoss, sowie Paulinshof in Kesten und Kirsten in Klüsserath sind hier die rühmlichen Ausnahmen. Die delikatesten 2002er sind jedoch zweifelsohne bei den fruchtigen Spätlesen zu finden, denn in dieser Qualitätsstufe stellt sich die feine, eher reife Säure des Jahrganges am klarsten dar. Wie kaum ein anderer jonglierte Wilhelm Haag vom Weingut Fritz Haag in Brauneberg gekonnt mit den Launen der Natur und seinem Fachwissen, um seine Spätlese ein ausgewogenes und elegantes Säurespiel und Fruchtdichte zu verpassen und zeigt damit, wie ein filigraner, feinfruchtiger Riesling mit dienender Restsüße zu schmecken hat. (Gerhard, bitte hier die Güter einfügen, die in der Kategorie Spätlese punkteten.) Nur wenige Erzeuger vermochten es, wie Dr. Manfred Prüm vom Weingut Joh.. Jos. Prüm in Wehlen, dieses Säurespiel auch bei hochwertigen Auslesen zum Tragen kommen zu lassen, von Beerenauslesen und Trockenbeerenauslesen ganz zu schweigen. Berühmte Ausnahmen, wie die atemberaubende Trockenbeerenauslese von Heymann-Löwenstein, bestätigen die Regel. (Gerhard, gab es andere?) In diesen Kategorien möchten als vorgezogener Nachruf Hans-Leo Christoffel vom Weingut Joh. Jos. Christoffel für seinen Lebenswerk zum Winzer des Jahres küren. Zwar ist er nur noch bei der Lese aktiv, doch das Glitzern in seinen Augen sowie freundliches Lachen bei jeder Verkostung bleiben uns genau so haftend in der Erinnerung, wie die herrliche Spät- und Auslese, die uns über die letzten zehn Jahren begleitet haben. So gut manche Rieslinge von der Ruwer bei Christoph Tyrell von Karthäuserhof auch schmeckten, so kamen die feinsten Weine des Jahrgangs eher von der Mittelmosel, wo sich die Natur von ihrer besten Seite zeigte. An der Ruwer hingegen mussten wir bei dem Weingut Karlsmühle, Mertesdorf, und der C. von Schubert schen Gutsverwaltung, Grünhaus, Zäsuren vornehmen. Zu schwach waren beide Kollektionen, als dass wir deren Vorzeigestellung noch hätten rechtfertigen können. An der Saar haben wir zwar weniger Enttäuschungen erlebt, dennoch haben nur wenige Güter der Natur wirklich große Weine abgetrotzt. Die rühmlichste Ausnahme ist das Weingut von Othegraven in Kanzem, das wir wegen der Renaissance ihrer Auslesen zum Aufsteiger des Jahres küren. Schloss Saarstein in Serrig mit bestechend fruchtigen Edelsüssen, das Weingut Reinert in Kanzem mit einer charaktervollen Kollektion sowie das Weingut Herrenberg, Schoden mit schmelziger Frucht zeigten, dass es trotzdem möglich war. Gibt es in diesem Jahr in der Spitze keine wesentliche Veränderungen, so haben sich mehrere Weingüter von der Mittelmosel für den Aufstieg von zwei auf drei Sternen empfohlen: Ernst Clüsserath, Trittenheim, mit feinfruchtigen Rieslingen, Clüsserath Eifel, ebenfalls Trittenheim, zeigte feinwürzige Qualitäten, Kurt Hain, Piesport, gefiel durch zisilierte, feine Frucht, Weingut Studert-Prüm, Bernkastel-Wehlen, mit opulenten Rieslingen, Weingut Vollenweider, Traben-Trarbach, der mit einem Spätlesefeuerwerk weiter auf dem Weg nach oben ist. Ebenso löblich war die Leistung von Ansgar Clüsserath in Trittenheim, Sybille Kuntz in Lieser, das Weingut Regnery in Klüsserath sowie die Vereinigten Hospitien in Trier, die weiter an die Qualitätsschraube gedreht haben. Andere Erzeuger haben es ebenfalls erstmals geschafft, mit überzeugenden Rieslingen auf sich Aufmerksam zu machen. Wir nennen hier zunächst das Stiftsweingut in Traben-Trarbach, das wir zur Entdeckung des Jahres nennen. Doch genau so überraschend waren die Weine von Heribert Boch in Trittenheim, Brauneberger Hof, Philipps-Eckstein in Graach, Rüdiger Kröber in Winningen sowie der Römerhof in Riol. Zu denen möchten wir auch das zwei Hektar kleine Weingut Jos. Christoffel in Ürzig erwähnen, das wir erstmals in diesem Jahr begegnet haben. Bei der Verkostung zeigten aber so manch gereifte Auslese aus Jahren wie 1990, 1985, 1976 und 1971, dass sie schon seit Jahren gescheite Weine abfüllen. Verrückt, sie stehen immer noch für wenig Geld im Gut zum Verkauf! Unter den weiteren empfehlenswerten Betrieben scheinen sich ebenfalls neue Talente zu entwickeln. Von Winzern wie Becker-Steinhauer in Mülheim, Bernhard-Kieren in Graach, Frank Brohl in Pünderich sowie Köwerich in Leiwen erwarten wir auch künftig, mehr zu hören. Hatten viele Winzer von Mosel, Saar und Ruwer bisher im Inland einen eher schweren Stand, erleben sie, vor allem Dank junger Weinfreunde, endlich auch hier die Trendwende hin zum Riesling. Der Glaube an die Zukunft ihrer Rebsorte wird unterstützt durch Meldungen über grandiose Erfolge des Rieslings im Ausland, allen voran in England und den vereinigten. Riesling ist “in” und endlich profitieren nicht nur die schon stark und nun noch stärker im Export engagierten Güter von dieser Entwicklung. Gradmesser dafür ist auch das verstärkte Interesse vieler guter Betriebe, Parzellen in Spitzenlagen zu erwerben. Damit signalisieren sie, dass die Zukunft der gesamten Region ausschließlich über Qualität definiert werden kann.
Die Mosel auf einen Blick Rebfläche: 10.392 Hektar
Winzer des Jahres: Hans Leo Christoffel vom Weingut Joh. Jos. Christoffel, Ürzig, für seinen Lebenswek
Spitzenreiter an der Mosel (99) ***** (4) Weingut Fritz Haag – Dusemonder Hof, Brauneberg
**** (10) Weingut Joh. Jos. Christoffel Erben, Ürzig
*** (28) Weingut Erben von Beulwitz, Mertesdorf ** (32) Bischöfliche Weingüter, Trier * (25) Weingut Bastgen, Kesten Weiter empfehlenswerte Betriebe (20) Weingut Bauer, Mühlheim (neu) zu Prüfen im nächsten Jahr (für den internen Gebrauch) Weingut Dr. Fischer, Ockfen
Große und kleine Jahrgänge an Mosel, Saar und Ruwer Jahr Güte Trinkreife 2002 **** bis 2010 Armin Diel, Joel Payne und Christoph Dirksen |
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