Riesling Rendezvous für Vinum

Nur wenige Erzeuger sind so oft um die Welt getingelt, um die Rieslingbotschaft zu predigen, wie Ernie Loosen. Neben seinen beachtlichen Moselweinen erzeugt der „Decanters Man of the Year 2005“ mit Château Ste. Michelle im amerikanischen Bundesland Washington auch einen angesehenen Riesling namens Eroica. Gemeinsam luden sie Anfang Juli zum Riesling Rendezvous in Seattle. Joel B. Payne war für Vinum dabei.

Riesling Rendezvous
Konferenz in Seattle wirft Licht auf Vergangenheit und Zukunft

Wenn Egon Müller, Willi Bründlmayer und Anne Trimbach hinter dem Tresen stehen und ihre aller wertvollsten Rieslinge im sonnigen Vorgarten eines Mitbewerbers in der Bucht von Seattle - unweit des neuen, millionenschweren Hauses von Bill Gates - einem Fachpublikum ausschenken, weiß man, dass ein wenig Weinabenteuer in der Luft liegt.

So begann das dritte Riesling Rendezvous Anfang Juli in Seattle. Veranstaltet von Ernie Loosen, dem umtriebigen Winzer aus Bernkastel, und Ted Baseler von Château Ste. Michelle, hat das Ereignis 350 Erzeuger, Importeure, Händler und Journalisten aus aller Welt in seinen Bann gezogen und einen vielschichtigen Blick über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der urdeutschen Rebsorte Riesling geboten.

In seiner Eröffnungsrede hat Ted Baseler, Präsident von Château Ste. Michelle im amerikanischen Bundesland Washington, bereits den Ton angegeben. “Wenn auch der Riesling sich nur knapp unter den 20 meist angebauten Reben der Welt einreiht, muss er aus qualitativer Sicht unter den drei führenden Weißweintrauben erwähnt werden. Wegen seiner innigen Fähigkeit den einmaligen Charakter seines jeweiligen Standorts wie ein Lichtstrahl von einem Prisma zu widerspiegeln, übertrumpft er mit Leichtigkeit sowohl Chardonnay als auch Sauvignon Blanc.“

Mehrere geführte Verkostungen, welche gerade diese Eigenschaft belegten, aber auch die Fähigkeit des Rieslings mit der Zeit prächtig heranzureifen, haben Spitzenerzeuger der Alten Welt, darunter Etienne Hugel aus dem Elsass, Helmut Dönnhoff von der Nahe und Fred Loimer aus Kamptal, zusammengetragen. Tom Barry aus dem Clare Valley in Australien, John Forrest von Marlborough in Neuseeland und Peter Bell von Fox Run in New York gehörten dabei zu der Riga, welche der Alten Welt Stimme verlieh.

Am spannendsten war die Probe, die von Bruce Schoenfeld geleitet wurde. Der Weinredakteur von Travel & Leisure, mit einer Auflage von knapp fünf Millionen Exemplaren ein meinungsbildendes Organ in den Vereinigten Staaten, stellte nach jedem Wein unbeirrt die gleiche Frage: Warum sind wir bei der Verkostung 14 hochkarätiger Riesling aus aller Welt fast immer intuitiv in der Lage zwischen einen Wein aus der Alten Welt und Einem aus der Neuen zu unterscheiden? Dazu gab es weder eine einfache noch eine überzeugende Antwort, doch Wilhelm Weil von gleichnamigen Weingut im Rheingau meinte, dass die auf der Zunge verspürte Reichhaltigkeit der europäischen Rieslinge auf die spätere Lese und, vor allem, auf die Bereitschaft der Winzer das Risiko eines höheren phenolischen Extrakts einzugehen, zurückzuführen wäre. Letzteres meiden Winzer der Neuen Welt wie der Teufel das Weihwasser.

Riesling auf dem Vormarsch

In seiner Vorstellung über die Marktentwicklung in den Vereinigten Staaten sagte Jim Tresize, Vorsitzender der International Riesling Foundation (IRF) stolz, dass “im Verkauf Riesling derzeit die schnellstwachsende Rebsorte in den Vereinigten Staaten ist. Mit 8,3% Absatzplus hat sie sogar Pinot Noir in der Wachstumsrate überholt.” „Das möge sein“, beteuerte John Gillespie, ein Partner bei Wine Colleagues in Napa Valley, „doch nur von einer kleinen Basis beginnend“. Zudem bleibt der Enthusiasmus in Großbritannien verbrämt.

“Interessanter ist die Tatsache, dass genau so viele Konsumenten Riesling wie Chardonnay zu ihren Lieblingssorten zählen“, setzte er fort, „trinken ihn aber weniger oft, da sie sich von der Vielzahl der Geschmacksvarianten in die Irre geführt fühlen.” Eines der Probleme für ausländische Liebhaber ist in der Tat, dass sie nicht wissen, ob ein Wein sauer, halbtrocken oder sogar nektarähnlich ausfallen wird. „Einst war die Sache einfacher, doch inzwischen gibt es trockene Auslesen aus Deutschland und süßen Riesling aus dem Elsass. So verliert der Konsument das Vertrauen und kauft eher eine andere Sorte, die weniger Fragen aufwirft“, erklärte er.

„Die Mehrzahl der amerikanischen Konsumenten glauben, dass Rieslinge stets süß schmecken“, hat Trezise in einer Meinungsumfrage herausgefunden. „Nur wenige wissen von der Vielzahl der Geschmacksvarianten - und diejenigen, die dies verstehen, wollen ihn aus Unsicherheit nicht trinken.“

Daher hat der IRF den Riesling Taste Profile (siehe Kasten und www.drinkriesling.com) entwickelt, der inzwischen auf dem Rückenetikett von über fünfzehn Millionen Flaschen eingesetzt wird. Im Gegensatz zum deutschen System, dass lediglich die Restsüße berücksichtigt, will die Skala der IRF das Geschmackserlebnis in all seinen Nuancen erfassen. So werden Gesamtsäure, pH-Wert und das Verhältnis von Süße und Säure in Betracht gezogen und ihr ein fließendes Spektrum von ‚dry’ über ‚medium dry’ bis hin zu ‚sweet’ zu Grunde gelegt. „So weiß der Konsument genau“, behauptet Trezise, „welches Trinkerlebnis ihn erwartet“.

Das System wurde mit dem Jahrgang 2008 eingeführt und schmückt bereits heute das Rückenetikett des sonst traditionsverhafteten Schloss Johannisberg, dessen Geschäftsführer Christian Witte bereits bei der Gründung der IRF dabei war. Château Ste. Michelle, der größte Rieslingerzeuger der Welt, nimmt ebenfalls an der Aktion teil, was erahnen lässt, dass diese Skala schon bald auf weiter Front zu sehen sein wird.

Nicolas Quillé von Pacific Rim in Washington gehört gleichfalls zu den Ersten, die das System nutzten. Bereits im ersten Jahr hat sein Rieslingverkauf um 50% zugelegt. „Verunsicherte Konsumenten kaufen nicht.“, sagte er beim Eröffnungsempfang im Garten des Gastgebers.

Stuart Pigott aus Berlin, der als lässiger Ansager an den drei Festival-Tagen mehrmals zum Wort kam, betonte die ruhmreiche Vergangenheit der Rebe. “Nicht nur deutsche Rieslinge waren einst die teuersten Weine der Welt, sondern auch ein chinesischer Riesling wurde 1915 zum Wine of Show bei der Weltausstellung in San Francisco gekürt.”

Klimaverschiebung

Während die Professoren der University of California at Davis, Maynard Amerine und Albert Winkler, die Weinbauregionen in Kalifornien 1944 mit Durchschnittstemperaturen zwischen 13,2 und 15,2 Grad Celsius in der Vegetationszeit vom 1. April bis zum 31. Oktober als bevorzugte Zonen für den Rieslinganbau eingeteilt haben, ließ die Klimaverschiebung über die vergangenen dreißig Jahre die Temperaturen in klassischen Anbaugebieten wie Rheingau, Wachau und Elsass um ein Grad höher steigen, was zu einer nie da gewesenen Regelmäßigkeit der Qualität führte.

“Wo wir einst einige schwache Jahrgänge und sogar manche Katastrophen in einem Jahrzehnt erleiden mussten, haben wir seit 1988 kaum eine Missernte gehabt.”, sagte Ernie Loosen augenzwinkernd und fuhr fort, “In dem Jahr habe ich das Weingut übernommen. Die schlechten Jahre hat mein Vater eingefahren.”

Gleichzeitig hat die Erderwärmung einen Anstieg der Rieslingproduktion in nie da gewesenen Anbauzonen ermöglicht. Winzer von den Finger Lakes in New York, den Niagara Falls in Ontario und der Old Mission Peninsula in Michigan haben das Ergebnis dieser Entwicklung überzeugend ins Glas gebracht.

Während die Erwärmung die Traubenreife in kühleren Klimazonen begünstigte, haben Dr. Greg Jones von Southern Oregon University und Professor Hans Schulz von Geisenheim neue Daten vorgestellt, die zeigen, welche Auswirkung weitere Temperaturanstiege auf den Rieslinganbau weltweit haben werden. Eine fortschreitende Erderwärmung wird die optimalen Zonen eindeutig gegen Norden in Richtung höherer und kühlerer Lagen verschieben, gleichzeitig aber von den Winzern neue Formen des Laubwandanschnitts abverlangen, um eine ausgewogene Reife der Trauben zu gewährleisten.

“Mit der Entwicklung höherwertiger Genpflanzen und besserer Weinbergspflege ist es nicht gesagt, dass die obere Grenze von 15,2 Grad Celsius für erfolgreichen Rieslinganbau in Stein gemeißelt ist”, beteuerte Dr. Jones. “Sollten dennoch die Temperaturen um weitere 1,5 bis 5 Grad ansteigen, wie wir es erwarten, und sich die Regenfälle ungünstig verschieben, werden wärmere Gegenden mit viel Sonnenscheinstunden, wie die Clare und Eden Valley in Australien, bereits in naher Zukunft unter Druck geraten.” Schon heute ist klar, dass 2010 das heißeste Jahr seit dem Beginn der Temperaturmessungen sein wird.

Save the date

Das nächste Riesling Rendezvous auf Ste. Michelle wird voraussichtlich im Frühjahr 2013 stattfinden. Bereits im Herbst dieses Jahres wird ein Riesling Symposium auf Schloss Reinhartshausen im Rheingau und dann in Februar 2012, unter der Führung des Frankland Estate aus Australien, eine weitere Konferenz in Melbourne stattfinden. Danach sollen im Dreijahrestakt die drei Veranstalter an einen Strang ziehen, um dem Riesling weltweit mehr Gehör zu verschaffen.

 

Kasten:

Bild von Rückenetikett vom Internet der IRF

Bildunterschrift: Erzeuger setzen das passende Profil auf das Rückenetikett ihrer Flaschen, um Klarheit über das Geschmackserlebnis zu verschaffen.